Zu viel des Guten?

Medikamentenmix kann schwere Schäden bewirken

von Erik Schumann

Medikamentenmix

Jedes Medikament für sich soll ein Leiden lindern, aber keines wirkt nur an einer Stelle, sondern überall im Körper. Deshalb kommt es oft zum Zusammenwirken mit anderen Arzneimitteln.

Wir haben Kunden, die jeden Tag mehr als 15 Tabletten schlucken. Schon wenn täglich fünf oder mehr Präparate eingenommen werden, spricht man von »Polypharmazie«. Das ist kein Einzelfall: Bei Bluthochdruck, Herzschwäche, Fehlfunktion der Schilddrüse, zu hohen Cholesterinwerten und eventuell einer neurologischen Erkrankung kommen schnell über zehn Medikamente täglich zusammen.

Der Internist, der Hausarzt, der Urologe bzw. Gynäkologe, der Orthopäde und der Augenarzt: Jeder tut aus seiner Sicht das Richtige. Allerdings wird der Patient von den Spezialisten nie als Ganzes betrachtet. Die oft mangelhafte Absprache zwischen den Ärzten ist eine wesentliche Ursache für unerwünschte Wechselwirkungen.

So kann ein Cholesterinsenker zu Schmerzen in den Muskeln führen. Wird dann der Orthopäde aufgesucht, verschreibt dieser oft ein Schmerzmittel, ohne der Ursache näher auf den Grund zu gehen. So werden immer mehr Medikamente verordnet, die mit anderen Präparaten wechselwirken. Ein Blutdrucksenker in Verbindung mit einem Medikament zur Demenzbehandlung kann den Herzschlag so weit absenken, dass der Kreislauf zusammenbricht.

Hinzu kommen Heilmittel im Zuge der Selbst-Medikation. Sind sie harmlos? Johanniskraut beispielsweise beschleunigt den Abbau vieler Arzneimittel bis hin zu deren Unwirksamkeit. Und ausgerechnet Schmerzmittel, die oft und gerne genommen werden, sind für die meisten unerwünschten Wechselwirkungen verantwortlich. Dazu zählen Magenblutungen und Störungen der Herz und Nierenfunktion.

Wechselwirkungen können gravierend sein. Etwa jede dritte Krankenhauseinweisung älterer Menschen geht auf unerwünschte Medikamentenwirkungen zurück. Der Patient kann zur Aufklärung wenig beitragen, da er die Ursache nicht kennt. Hinzu kommt das diffuse Beschwerdebild: Verwirrtheit, Schwächeanfall, Herz-Rhythmus-Störungen. Mancher schwerere Sturz ist darauf zurückzuführen.

Was tun?

  • Fragen Sie, ob Ihre Apotheke einen »Wechselwirkungs-Check« an-bietet.
  • Am besten erstellen Sie eine Liste mit allen Präparaten, die Sie bei jedem Arztbesuch mitführen.

Du musst mehr trinken!

Austrocknung erkennen und verhindern

von Kerstin Wernert und Erik Schumann

Austrocknung erkennen und verhindern

»Du trinkst zu wenig!« Viele Ältere winken bei diesem Vorwurf genervt ab. Dabei ist mit Austrocknung (der Arzt spricht von Dehydratation) überhaupt nicht zu spaßen: Jeder vierte Senior kommt wegen Austrocknung oder einem damit zusammenhängenden Leiden ins Krankenhaus! Und ist der Wasserhaushalt gestört, nimmt die Sterblichkeit insbesondere bei Operationen deutlich zu.

Es sind mehrere Ursachen, die zur Austrocknung führen: Der ältere Mensch verliert sein Durstempfinden, die Nieren scheiden mehr Urin aus, und Herzmedikamente sowie Abführmittel erhöhen die Wasserausscheidung. Hinzu kommen oft Durchfall oder Probleme im Mundbereich oder beim Schlucken.

Austrocknung erkennen

Symptome für Austrocknung sind zum Beispiel dunkler, stark riechender Urin in Verbindung mit trockenen Schleimhäuten und fehlendem Speichelsee unter der Zunge. Schwindel, sinkender Blutdruck und Herzrasen können auf eine Austrocknung hinweisen, ebenso zunehmende Verwirrtheit und häufigere Verstopfungen.

Vorbeugend handeln

Abgestandene Getränke sind nicht jedermanns Geschmack. Und immer nur Wasser trinken wird schnell einseitig. Frische und Abwechslung sollten uns führen, um eine Austrocknung zu verhindern:

  • In Gesellschaft trinkt es sich einfach netter: Zuprosten hilft.
  • Immer nur Apfelsaft? Wie wäre es mal mit Rhabarber, Traube, Johannisbeere, Birne, Maracuja, Ananas, Quitte, Acerola?
  • Es darf auch herzhaft zugehen: alkoholfreies Bier, Tee aus frischer Minze, Tomatensaft, Kräuterlimonade, Gemüse-Smoothie.
  • Trinkreize nutzen: Ingwertee darf heiß sein, ein Eistee kühl.
  • Franz Kafka sagte: »Kaffee dehydriert nicht. Ich wäre sonst schon Staub!« Recht hatte er, sagt die Wissenschaft!
  • Nach dem Wecken ein Glas Wasser, Brühe als Zwischenmahlzeit, Gemüsesuppe als Vorspeise, Obst kleingeschnitten anbieten, öfter mal Eintopf, Gewürzgurken zum Abendbrot: Ihnen fällt sicher noch mehr ein!
  • Und Wein? Besteht immerhin zu 80 % aus Wasser! (Das hat mir ein Kunde versichert.)

Mutter wird verrückt!

Ratgeber im Umgang mit Demenzkranken

von Erik Schumann

Umgang mit Demenzkranken

An wem bleibt es hängen? An der Tochter. Natürlich.

Natürlich? In fast allen Familien, die wir betreuen, sind es die Töchter oder Schwiegertöchter, die sich in erster Linie um die Demenzkranken in der Familie kümmern. Was vor Jahren als stundenweise Unterstützung begann, was man ja auch gerne tat, ist im Verlauf der vergangenen Jahre – oft nur Monate – zum Fulltime-Job geworden. Erst schleichend, dann fordernd. Und diese Aufgabe zehrt nicht nur an den Körperkräften. Ich habe drei Kundinnen (es sind die „natürlich“ die Töchter), die in psychiatrischer Behandlung sind, weil sie sich „zu sehr“ um die Eltern kümmern.

Zu sehr? Die Eltern waren es, die uns großzogen, die die Entbehrungen aller guten Eltern auf sich nahmen, die eigene Wünsche jahrelang zurückstellten, um uns optimal ins Leben zu befördern. Kann ich sie jetzt, wo sie meine Hilfe benötigen, im Stich lassen?

„Doch, das können Sie. Das müssen Sie sogar, wenn Sie nicht selbst vor die Hunde gehen wollen.“ Das sagte uns der leitende Arzt der Geriatrie. Und weiter: „Wenn Ihr Schwiegervater partout keine Hilfe annehmen will, lassen Sie ihn 4 Wochen allein und sehen dann nach, ob er noch lebt.“ Wir dachten, wir hätten uns verhört.

„Jeder hat das Recht auf Unvernunft“, sagte uns die Amtsrichterin. Sie riet uns das Gleiche wie der Arzt, sprach aber nur von 2 Wochen.

Ist es nicht herrlich einfach, aus der Ferne urteilen zu können? Wenn man keine eigenen Konsequenzen ziehen muss? Wenn man sein Gewissen nicht mit unbequemen Fragen belasten muss? Wenn’s einen im Grunde nichts angeht?

Was sollten wir mit solchen „gut gemeinten Ratschlägen“ anfangen? Ja, mein Schwiegervater war ein medizinischer „Fall“. Und wurde dadurch auch zwangsläufig zum juristischen „Fall“. Für uns blieb er aber immer ein Mensch.

Menschlicher Rat im Umgang mit Senioren ist nicht zu erwarten, wenn man den alten Menschen als „Fall“, als eine Akte sieht. Schön ist es, wenn Betroffene menschlich darüber berichten, wie wir mit Demenzkranken umgehen können, ohne ihre Würde zu verletzen. Aus mehreren Büchern zum Thema sind mir zwei Ratgeber aufgefallen, die nicht den Fall, sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellen – auch wenn er demenzkrank ist.